Buy&Build-Plattformen als unternehmerische Alternative für Systemhäuser

Buy&Build-Plattformen als unternehmerische Alternative für Systemhäuser

Nach drei erfolgreichen Jahrzehnten durchlebt der Systemhausmarkt unruhige Zeiten: Während die Branche auf Cloud-Plattformen und Managed Services umsteigt, stehen die Gründer der ersten Stunde vor der Entscheidung: Nochmal in die Digitalisierung investieren oder verkaufen? In meiner zweiteiligen Reihe zu Merger & Acquisitions stelle ich Ihnen eine dritte Option vor: Sich mit anderen Systemhausunternehmern zu verbünden und dabei den finanziellen Hebel eines Investors zu nutzen. In der zweiten Folge untersuche ich das Für und Wider solcher Buy&Build-Plattformen und zeige, worauf es in der Praxis ankommt.

EuroCloud bloggt für den Systemhausmarkt

An dieser Stelle sowie auf EuroCloud.de schreiben @Bernd Krakau und ich über den Systemhausmarkt und die Transformation unserer Branche in Richtung Datenwolke. Anlass ist die Systemhausinitiative Channel2Cloud, die wir bei EuroCloud, dem Verband der Cloud-Wirtschaft in Deutschland, gestartet haben.

Ebenso wie ihre Kunden müssen auch die Systemhäuser selbst ihr Geschäft digitalisieren.

Die Zeit der „Kistenschieber“ geht unweigerlich zu Ende. Die Cloud bestimmt jetzt das Geschäft. Gefragt sind immer weniger zeitlich begrenzte und meist aufwendige IT-Projekte, sondern monatlich konsumierbare Dienste: Managed- & Cloud-Services. Auch für die Provider lohnt sich der Wandel. Anstelle einmaliger Handelsprovisionen und Projektumsätze locken regelmäßige Einkünfte durch Abonnementgebühren.

Doch die gibt es nicht umsonst!

Die Umstellung eines traditionellen IT-Dienstleiters auf Managed- & Cloud-Services kostet erst einmal Geld, bevor es welches bringt (Die Gründe dafür lesen Sie hierhier und hier). Das wird gerade für kleine und mittelgroße Provider in der Umstellungsphase schnell knapp: Die schwindenden Einnahmen aus dem Altgeschäft lassen sich frühestens nach ein bis zwei Jahren durch die allmählich wachsenden Serviceumsätze ausgleichen.

Wandel braucht Größe

Die großen Systemhauskonzerne sind in diesem Transformationsprozess eindeutig im Vorteil, verfügen sie doch über ausreichende Reserven nahezu jede Durststrecke zu überbrücken. Ebenso stärken sie ihre Marktstellung aus eigener Kraft durch kontinuierliche Zukäufe.

Mehr denn je zählt daher Größe im neuen Provider-Markt.

Und das nicht nur wegen der nötigen Liquidität, die der Wandel beansprucht.

Managed- & Cloud-Services verlangen Providern ganz neue Fähigkeiten ab, für die sie eine neue Klasse von Spezialisten benötigen. Früher brauchte es Leute, die Server beim Kunden aufstellen und einrichten konnten, sowie Administratoren, die sie betreiben. Jetzt werden Cloud-Architekten gesucht, die sich mit den abstrakten Software-Diensten aus der Public Cloud auskennen. Und die auf dem Laufenden bleiben bei den Dutzenden Innovationen, die die Hyperscaler allmonatlich veröffentlichen.

Für kleine Provider ist es fast unmöglich, genug solcher Experten für sich zu gewinnen. Diese können sich ihre Jobs aussuchen. Höhere Gehälter und bessere Aufstiegschancen locken sie zu den Großen.

Werden also die Systemhauskonzerne künftig den Markt unter sich aufteilen?

Neue Player betreten den Markt

Planbare und sichere Einkünften durch Managed- & Cloud-Services locken in Zeiten niedriger Zinsen noch weitere Marktteilnehmer: Seit einigen Jahren weiten Finanzinvestoren ihr Engagement im deutschen Systemhausmarkt aus. Sie haben einen alternativen Weg gefunden, die nötige Größe für den Wandel zu organisieren:

Statt sich bei den Platzhirschen der Branche einzukaufen, investieren sie in kleine und mittlere Provider und formen sie zu sogenannten Buy&Build-Plattformen.

Was ist eine Buy&Build-Plattform?

Eine Buy&Build-Plattform schließt mehrere Provider zu einer Unternehmensgruppezusammen, um mit vereinten Ressourcen und Kräften schneller zu wachsen. Die treibende Kraft hinter der Plattform ist allerdings kein einzelner Dienstleister, der Wettbewerber aufkauft, sondern eine Beteiligungsgesellschaft. Sie erwirbt ein mittelgroßes Kernunternehmen von etwa 100 bis 200 Mitarbeitern, das sie durch etwa ein Dutzend strategischer Zukäufe, sogenannter Add-ons, schnell vergrößert. Dazu legt die Gesellschaft einen Fonds mit befristeter Laufzeit auf, für den sie Kapital bei privaten Investoren und institutionellen Anlegern einwirbt.

Die Auswahl der richtigen Add-ons

Eine strategisch kluge Auswahl der Zukäufe ist selbstredend entscheidend für den Erfolg der gesamten Strategie. Letztlich müssen sich Plattformen horizontal wie vertikal verstärken.

Währen die Akquisition gleichartiger Add-ons auf mehr Volumen im Markt zielt, ergänzensich stark unterschiedliche Zukäufe in ihren Fähigkeiten und Portfolios, nach Einzugsgebieten und Servicekultur.

Das macht sie zudem als Arbeitgebermarke interessanter, da sie Mitarbeitern ganz unterschiedliche Perspektiven und Entwicklungschancen bieten können.

Gleichwohl steht die Plattform immer vor der Herausforderung, die Services und Prozesslandschaften der Einzelunternehmen zu standardisieren, um entsprechende Skalenvorteile zu heben und eine glaubwürdige Marke aufzubauen. Die Akquisitionsstrategie muss verhindern, dass die Plattform zum „Bauchladen“ verkommt.

Dealmechanik bei Buy&Build-Plattformen

Aus Sicht des einzelnen Systemhausunternehmers vollzieht sich die Dealmechanik beim Einstieg in eine Buy&Build-Plattform im Wesentlichen in drei Schritten:

  1. Dem ersten Exit
  2. Der Beteiligungs- und Wachstumsphase
  3. Dem zweiten Exit

Zu Anfang verkauft der Unternehmer seine Anteile an die Beteiligungsgesellschaft. Sein altes Unternehmen wechselt den Besitzer. Das ist der erste Exit.

Allerdings sehen es Investoren gerne, wenn sich zumindest ein Teil der Altunternehmer weiterhin auf der Plattform engagiert. Durch Rückbeteiligung kann der Unternehmer Anteile an der Buy&Build-Plattform erwerben und als Mitglied der neuen Führungsmannschaft wieder mitgestalten. Er oder sie investiert also wieder und partizipiert in der Beteiligungs- und Wachstumsphase am schnell steigenden Wert der Plattform.

Nach durchschnittlich fünf bis sieben Jahren läuft der Fonds aus, die Beteiligungsgesellschaft verkauft das Plattform-Unternehmen an strategische Investoren oder an eine andere Beteiligungsgesellschaft, die die Plattform in die nächste Wachstumsphase führt. Dieser zweite Exit gibt den einmaligen Systemhausunternehmern eine zweite Gelegenheit zu profitieren, indem sie ebenfalls ihre Anteile veräußern.

Vorteile einer Buy- & Build-Plattform

Zur Erinnerung: Der eigentliche Grund für die ganze Operation ist doch, durch den Aufbau von Managed- & Cloud-Services von wiederkehrenden Umsätzen, höheren Margen und einem wachsenden Gesamtwert des Unternehmens zu profitieren.

Buy&Build-Plattformen bieten Systemhausunternehmern aus dem Mittelstand handfeste betriebswirtschaftliche Vorteile für diese Strategie:

  • Eine Buy&Build-Plattform verteilt das Risiko der Transformation auf mehrere Schultern
  • Als Teilhaber an der Plattform partizipiert der einzelne Unternehmer schneller an Skalenvorteilen und erreicht im Verbund früher die Gewinnzone mit Managed- & Cloud-Services.
  • Zudem eröffnet die Plattform Zugriff auf Kompetenzen, die man als Einzelunternehmer nicht erst aufbauen muss.
  • Auch deshalb wachsen Plattformunternehmen in der Regel deutlich schneller, als es ihren Einzelunternehmen je möglich wäre.
  • Beim Wiederverkauf bewerten Investoren den Gesamtwert eines Geschäftsmodells auf Basis von Managed Services mit dem Neun- bis Zehnfachen des EBITDA. Durch den größeren Wachstumshebel einer Plattform fällt die prozentuale Rendite aus der Rückbeteiligung für den einstigen Systemhausunternehmer entsprechend höher aus.
  • Und nicht zu vergessen: Durch den ersten Exit konnte der Unternehmer ja bereits einen Teil seines geschäftlichen Ertrags hinter der Brandmauer sichern.

Neben dem betriebswirtschaftlichen Nutzen bieten Buy&Build-Plattformen aber noch „weiche“ Vorzüge als zusätzlichen unternehmerischen Anreiz:

  • Der Unternehmer bleibt „Part of the Game“. Anstatt als Best Ager sein Lebenswerk aufzugeben, kann er oder sie ihre Stärken und ihre Erfahrung weiterhin einbringen.
  • Im Unterschied zum Verkauf an einen der Platzhirsche im Markt bietet eine Plattform Kooperation auf Augenhöhe.
  • Eine Buy&Build-Strategie verschafft dem Unternehmer die Chance für einen Neustart auf höherem Niveau. Als Teil einer schnell wachsenden Plattform schafft er gemeinsam mit anderen Unternehmern eine stärkere Systemhausmarke und dreht ein deutlich größeres Rad als im Alleingang.

Der Lackmus-Test: You are no longer the one and only!

Bei allen Vorzügen:

Die Buy&Build-Strategie ist nicht jedermanns Sache. Nicht alle können mit dem Kontrollverlust umgehen. Selbst bei einer signifikanten Rückbeteilung hat der Investor trotzdem das letzte Wort bei unternehmerischen Entscheidungen.

In der Geschäftsleitung ist zudem jeder abhängig vom Konsens in der Führung. Die Führungsmannschaft muss ein gemeinsames Verständnis entwickeln, wo sie mit der Plattform hinwill.

Eine Buy&Build-Strategie muss zum eigenen Temperament und Selbstverständnis als Unternehmer und Führungskraft passen.

Je nach Unternehmergeneration kann das schwierig werden. Das lässt sich nicht weg verhandeln!

Lebenswerk 2.0

Systemhausunternehmer aus dem Mittelstand, die vor der Transformation zu Managed- & Cloud-Services stehen, haben mehr Optionen als: verkaufen oder noch mal ganz alleine ins Risiko gehen.

Buy&Build-Plattformen bieten eine unternehmerische Alternative. Eine Chance, sein Lebenswerk mit geteiltem Risiko fortzusetzen, die eigenen Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem neuen Niveau einzubringen und am starken Wachstum der Branche zu partizipieren.

In der DACH-Region gibt es inzwischen rund ein Dutzend solcher Buy&Build-Plattformen, die erfolgreiche Systemhäuser zusammenführen und transformieren. Berücksichtigt man, dass jede Plattform bis zu einem Dutzend Systemhäuser und Spezialisten aufkauft, reden wir von mehr als 100 Einzelunternehmen.

So schaffen die Plattformen einen neuen Mittelbau im Systemhausmarkt und sorgen für Innovation und frischen Wettbewerb.

Davon profitieren die Kunden, vor allem im Mittelstand, aber auch die Arbeitskräfte in der IT, für die sich neue Entwicklungschancen auch außerhalb der IT-Konzerne bieten.

Neben den geschäftlichen Rahmenbedingungen ist es am Ende aber auch eine Frage von Temperament und Chemie, ob der Einstieg in eine Plattformstrategie der richtige unternehmerische Weg ist. Zumindest ist er eine spannende Alternative für geschäftliches und persönliches Wachstum.

Die bisherigen Beiträge unserer Kolumne

Liebe Leserinnen und Leser, herzlichen danken für Ihre Kommentare und Likes zu unserer Kolumne. Diese Beiträge haben wir bisher im Rahmen unserer EuroCloud-Intitiative Channel2Cloud veröffentlicht:

•   Wie gewinnen Systemhäuser ihren Vertrieb als Verbündete für den Wandel?

•   Wie meistern sie die finanzielle Durststrecke bei der Transformation ihres Geschäfts (Folge 1 und Folge 2)?

•   Eine Spurensuche, warum wir uns in Deutschland zwanzig Jahre Prokrastination in Sachen Digitalisierung geleistet haben.

•   Merger & Acquisitions: Folge 1: Systemhausgründer & die Cloud: Noch mal ins Risiko gehen oder einfach verkaufen?

Andreas Barthel

connexxa GbR M&A für die IT-Branche

8mo

Ein fachlich sehr guter Artikel- IT - Unternehmern bieten wir einen Unternehmens Health-Check inkl. Unternehmensbewertung an, damit den Eigentümern ihre Handlungsoptionen klar werden - aus unserer Sicht rechtzeitig dies vorzunehmen 2-5 Jahre vor dem Exit damit noch reagiert werden kann - connexxa.de/Check-up/

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Bernd Krakau

CxO, IT-Industry & Digital-Expert, certified advisory board member

2y

Prima Artikel von meinem Kollegen Felix Höger. Wirklich lesenswert.

Jan Mahler

Servant leader in a MEDDIC world / believer in Democracy!

2y

Buy & Build funktioniert nicht immer… wie aktuelle Beispiele zeigen….

Robert Jandt

Business Development in Cloud and Outsourcing Solutions | Tech & SaaS Solutions || Finance Market

2y

Wieder ein klasse Beitrag, der es sachlich auf den Punkt bringt!

Sven Kalisch

Co-Founder & Managing Partner @teccle group | Wir denken IT-Services neu. 🦖

2y

Danke für den wirklich sehr guten Überblick und die Ausführungen zum Thema "Buy-and-Build" im IT-Dienstleistungssektor. Das Bündeln von Kräften und Kompetenzen wird aktuell tatsächlich immer relevanter, weshalb solche Strategien eine logische Konsequenz sind. Einige Herausforderungen, die wir im Rahmen solcher Buy-and-Build-Konstrukte, auch entlang der oben stehenden Ausführungen, im Markt allerdings beobachten, sind dabei folgende: Größe allein löst das Problem nicht. Die Komplexität des IT-Service-Umfelds (verändernde Kundenbedürfnisse, steigender Wettbewerbsdruck, verändertes Geschäftsmodell und Verschiebung von Wertschöpfungsketten sowie rasant steigende Geschwindigkeit der technologischen Veränderung) erfordert eigentlich genau das Gegenteil: klein, reaktionsschnell und dynamisch zu sein. Und hier wird es aus meiner Sicht spannend: Getrieben durch den Wandel des Geschäftsmodells hin zum Managed-Service-Provider mit Cloud-Know-How darf die größte Stärke der kleinen Anbieter nicht verloren gehen: Dynamik und Spezialisten-Know-How. Das bedeutet für Buy-and-Build-Konstrukte, dass sie sich komplett neue Gedanken über das Operating Model und die Governance machen müssen: Wie arbeiten wir mit den unterschiedlichen Firmen zusammen, um bei aller Skaleneffekte und Bündelung von Know-How weiterhin schnell und lokal zu sein (Operating Model), und wer entscheidet eigentlich am Ende auf welcher Grundlage, wo es hingeht und was wir konkret machen (Governance). Plus: Die Transformation wird in solchen Konstrukten richtigerweise auf mehreren Schultern verteilt - wenn aber keiner dabei ist, der die Transformation für sich bereits abgeschlossen hat, macht es die Transformation nur bedingt einfacher. Denn neben der steigenden Komplexität durch Cloud-Technologien sehen wir insbesondere die Herausforderungen, dass IT nicht mehr im Keller stattfindet, sondern auf C-Level (richtigerweise) als Teil des Geschäftsmodells des Kunden diskutiert wird. Das verändert die Situation des Dienstleisters vom reaktiven Supporter hin zum beratenden Spezialisten - der dann eben auch noch auf einen großen Fundus an unterschiedlicher Technologie zurückgreifen kann/muss. Unterm Strich wird sich im Markt weiterhin einiges Tun. Buy-and-Build kann dabei die Lösung sein - es kommt aber für mich extrem darauf an, wie man Buy-and-Build macht.

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